
Schallplatten digitalisieren – das Equipment
Musik begeisterte Menschen wie ich, haben sicherlich hier und da die ein oder andere Schallplatte stehen, die es nicht auf CD gibt. Und wenn dann nur als remasterte Version, die einem ggf. nicht so zusagt. Da ich recht viele Maxi‘s aus den 80ern habe, die es tatsächlich zum größten Teil nicht als CD gibt, diese jedoch sehr gerne höre, und das nach Möglichkeit über unsere Raumklanganlage, musste eine Lösung her.
Darüber hinaus betätige ich mich gerne etwas als „Hobby-DJ“ und verfüge bereits über das für mich richtige Equipment. Natürlich gibt es nach oben hin immer Luft.
Geräteliste (meine Zusammenstellung)
- Denon DJ MC6000MK Mixer, dieser besitzt ein exzellentes Audiointerface welches mit Ubuntu Studio zu 100% kompatibel ist
- Plattenspieler Reloop RP 4000 M3D mit Tonabnehmersystem Ortofon Concord Pro oder besser
- Laptop / PC mit Ubuntu Studio / Ubuntu Linux und Audacity
- Nahfeldlautsprecher (Studiolautsprecher) Rookit KRK 5 oder Ähnliche
Vorbereitung
Als grundlegende Vorbereitung gilt es zunächst die Schallplatten richtig zu waschen. Ohne dem Reinigen der Schallplatten hat man garantiert Störgeräusche in jeder Aufnahme. Selbst bei neuen Vinylscheiben.
Das Waschen an sich ist nicht weiter schwierig, nur etwas aufwendig. Es gibt dafür die unterschiedlichsten Empfehlungen und Methoden. Zugegeben, wir, oder besser gesagt meine bessere Hälfte, hat dahingehend bereits Diverses ausprobiert und vieles wieder verworfen.
Letztendlich geht sie wie folgt vor. Eine Schüssel mit destilliertem Wasser, ca. 30% abgekochtes Wasser hinzu, und einen Spritzer Spüli.
Mit einem Mikrofasertuch werden die Vinyls dann gewaschen.
In einer weiteren Schüssel ist reines destilliertes Wasser mit einer Kappe Netzmittel enthalten. Mit dieser Flüssigkeit wird die Scheibe zum Schluss unter Verwendung eines zweiten Mikrofasertuches gründlich abgewaschen, um sämtliche Rückstände zu beseitigen. Nach ca. 10-15 Minuten Lufttrocknen wird die Platte in ein neues gepolstertes Sleeve gepackt und zur Aufnahme bereit gelegt.
Mit der richtigen Reinigung bekommt man unglaublich viele Störungen entfernt. Ich habe regelmäßig Vinyls die ich kaum oder gar nicht nach bearbeiten muss. Bis auf das Anfangsrauschen.
Aufnahme
Wie oben angegeben nutze ich Audacity unter Ubuntu Studio zur Aufnahme meiner Vinyls. In den Einstellungen muss hierzu das richtige Gerät gewählt werden.
Über den Wert Default bekommt man für gewöhnlich die richtige Soundkarte zum Laufen. Andernfalls wählt einfach das passende Interface (Soundkarte) aus.
Beim Denon, und auch vielen anderen Mixern oder Interfaces, hat man keine Möglichkeit per Software die Aufnahmelautstärke einzustellen. Das ist bei Mixern auch nicht notwendig bzw. völlig überflüssig, da ihr die Aufnahme am entsprechenden Kanal-Gain einstellt. Zusätzlich könnt ihr die Höhen, Mitteltöne und Tiefen etwas anpassen. Hier entscheidet Euer persönlicher Geschmack.
Stellt vor der Aufnahme den Gain so ein das die Platte nicht übersteuert. In Audacity kann man das über „Ansicht → Übersteuerungen anzeigen“ darstellen lassen. Alle roten Striche stellen diese Übersteuerungen dar. Startet an der lautesten Stelle der Platte eine Testaufnahme und regelt den Gain entsprechend ein.
Hinweis: Maxi -Singles sind lauter ausgesteuert als LP‘s!
Nun kann es losgehen. Platte auflegen und Aufnahme starten. Ist die erste Seite aufgezeichnet, drückt die Pausetaste, dreht die Platte und zeichnet weiter auf in dem ihr wieder den Aufnahmebutton betätigt. Nach abgeschlossener Aufnahme das Projekt speichern.
Wichtig: Achtet dabei darauf das Ihr Störgeräusche wie lautes Trampeln vermeidet. Je nach Platzierung des Plattenspielers können sich derartige Geräusche übertragen. Lautsprecher möglichst abschalten. Möchtet Ihr die Aufnahmen mit anhören, dann schaltet diese am besten über die Kopfhörer.
Bereinigen
Hierfür verwende ich einen separaten Desktop-PC mit Ubuntu Linux, Monitor-Boxen bzw. Kopfhörern und einem separaten Audiointerface (Focusrite Scarlett 2i2)
Unter Bereinigen verstehe ich das Entfernen von übrig gebliebenen Störgeräuschen. Dies sind meistens Klick- und Knistergeräusche sowie ein je nach Aufnahme entsprechend lautes Rauschen.
Audacity verfügt über viele tolle Filter. Um Vinylaufnahmen zu bereinigen haben sich für mich folgende Filter als äußerst nützlich erwiesen:
- Rauschverminderung
- Klickfilter
- Reparieren
- Studio Fade-Out
- EZ-Patch (separater Filter)
- ClickRepair (externes Tool welches ich bei Vinyls anwende, die regelrecht von Störgeräuschen übersät sind – kostenpflichtig als Java-Programm)
Welchen Workflow ihr bevorzugt, hängt von Euch ab. Ich beginne meist damit deutliche Klicks mittels Klickfilter zu entfernen, während ich die Platte komplett nach der Aufnahme höre. Ab und zu ist hier auch Handarbeit nötig. Das heißt, die Klicks oder Knackser sind deutlich zu hören, nur sieht man diese nicht. Hier kann man nur soweit die Waveform heranzoomen, bis ein Bearbeiten dieser möglich ist.
Rauchverminderung. Ist das Beseitigen der Knackser erledigt, höre ich mir die Platte nicht mehr komplett an, sondern achte auf die Anfänge und Enden eines jeden Tracks. Ist dort ein Rauschen zu vernehmen, reduziere ich dieses an den Stellen mit der Rauschverminderung. Hier spiele ich mit den Werten meist ein wenig herum bis ich das passende Ergebnis habe. Ich gehe in den Tracks aber nie mehr als mit 4 dB herunter. Am Anfang und Ende kann aber schon mit 12 dB Reduzierung gearbeitet werden. Wichtig ist, nach einer solchen Bearbeitung das Ergebnis unbedingt zu prüfen.
Reparieren nutze ich, genauso wie den EZ-Patch nur sehr selten. Reparieren nur dann, wenn der Klickfilter nicht funktioniert und es sich um eine sehr kleine Passage handelt.
EZ-Patch wende ich bei sogenannten Glitches (Starke Kratzer) an, um diese aus Informationen vor und nach dem Kratzer zu restaurieren.
Studio-Fade-Out nutze ich am Ende eines Tracks. Beim Auslaufen eines Songs nimmt man häufig eine Art Rauschen und Rumpeln war, welches ich hiermit reduziere. Mir ist es nicht so wichtig, ob ein Track ggf. dadurch im Auslauf ca. 1 Sekunde kürzer wird. Wichtig für mich ist, dass die Nebengeräusche möglichst komplett eliminiert werden. Gerade in den Übergängen empfinde ich diese als störend.
ClickRepair verwende ich bei Schallplatten, die stärker beschädigt sind. Mit den richtigen Einstellungen kann man hiermit voll automatisiert erstaunlich gute Ergebnisse erzielen. Überbleibsel werden mit eben aufgeführten Filtern nach bearbeitet. Meine Empfehlung bei automatischen Vorgängen sind folgende Einstellungen.
- Entknacken 30
- Tonhöhe-Schutz: aktiv
- Methode: Wavlet
- Tonsausgabe: Ausg. Repet.
Ggf. muss man hier etwas mit den Einstellungen spielen.
Um Musikdateien in ClickRepair einlesen zu können müssen diese zuvor als .wav – Datei exportiert werden. Nach der Bearbeitung mit ClickRepair wird die erstellte *cr.wav – Datei in Audacity wieder importiert um diese dann weiter bearbeiten zu können.
Laut Hersteller kann ClickRepair mit bis zu 2 GB großen Dateien arbeiten. Das Bearbeiten einer kompletten LP ist also kein Problem.
Anmerkung: ClickRepair ist nicht kostenfrei. Man kann die Software für einen bestimmten Zeitraum testen. Eine Lizenz kostet derzeit 40 AUD. Zum Zeitpunkt als ich sie kaufte, lag der Betrag bei ca. 26 Euro. Dafür bekommt man tatsächlich ein erstklassiges Tool an die Hand.
Installation: Herunterladen, entpacken und an geeigneter Stelle kopieren. Man kann das Programm über das Terminal starten oder sich wie ich einen Starter für den Desktop bauen. Bei Befehl setzt man folgendes:
java -cp /home/user/ClickRepair/ClickRepair.jar ClickRepair
(home/user mit Eurem tatsächlichen Usernamen ersetzen sowie das Unterverzeichnis anpassen, wenn es nicht ClickRepair heißt)
Im Terminal: Wechselt in das entsprechende Verzeichnis in dem die ClickRepair.jar – Datei liegt und führt folgenden Befehl aus: java -cp ClickRepair.jar ClickRepair
Speichern
Hier bin ich eher Purist. Ich bevorzuge generell das FLAC – Format. Egal ob ich LP‘s, Maxi-Singles oder CD‘s digitalisiere/einlese. FLAC ist ein verlustfreies Format, gegenüber WAV werden die Files aber deutlich kleiner, ohne das Informationen wie bspw. bei mp3, verloren gehen. Meine Einstellungen 44100 kHz bei 16 Bit.
Taggen
Hierzu nutze ich 2 Programme. EasyTag und Musicbrainz (Picard), und zwar genau in dieser Reihenfolge. Ich lege zwar mit Audacity beim Exportieren der Files schon Grundinformationen an, ergänze sie allerdings mit EasyTag bei Stücken die ich in Musicbrainz nicht oder nur schwer finde. Oftmals wird durch die Vorarbeit mittels EasyTag das ein oder andere Musikstück besser erkannt und kann mit den Tags von Musicbrainz vervollständigt werden.
Sind Titel oder Alben bei Musicbrainz nicht vorhanden, erstelle ich diese dort und tagge sie im Anschluss manuell. Das klappt bisher richtig gut.
Aufwand
Der Aufwand einer Digitalisierung kann nicht von vorneherein bestimmt werden. Auch pauschale Filter finden nur selten Anwendung. Die Zeitansätze variieren von Vinyl zu Vinyl. Bisher habe ich selber etwas über 100 Tonträger aufgenommen und bearbeitet. Die Bearbeitung einiger Platten hat stellenweise bis zum 5-fachen der Zeit gekostet als die Laufzeit der Scheiben an sich.
Durchschnittlich rechne ich grundsätzlich die ca. 2,5 – 3-fache Zeit einer Platte ein. Je nach Qualität der Vinyl‘s.
Hinweis: Nicht jede Platte lässt sich digitalisieren. Es gibt Vinyls bei denen lohnt sich eine Digitalisierung oder Restaurierung der Songs nicht, da diese einfach zu stark beschädigt sind. In diesen sehr seltenen Fällen schaue ich, ob ich ggf. über diverse Portale wie Discogs.com Ersatz für die entsprechende Platte finde.
Anmerkung: Natürlich habe ich das Aufnehmen der Vinyls ebenfalls mit Win und Mac ausgiebig getestet. Auch mit entsprechend proprietärer Software aus dem bezahlbaren Consumer-Bereich die einem das Blaue vom Himmel herunterverspricht.
Die Ergebnisse waren nicht schlecht, aber auch nicht sonderlich überzeugend. Entweder klangen die Scheiben zu dumpf, sie leierten oder haben schlicht weg nach der Bearbeitung ihre Dynamik verloren. Es fehlte bspw. der eigentliche Druck bei basslastiger Musik. Ruhige Passagen wurden zu stillen Passagen und so weiter, und so weiter.
Letztendlich bin ich bei Ubuntu Studio / Ubuntu Linux, Audacity und ClickRepair hängen geblieben, da ich hiermit tatsächlich die für mich besten Ergebnisse erzielen konnte.
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